top of page

Survivor Storys

Weiter

Als es ihnen nicht gelang, die Tür zu öffnen, legten sie einen Brand im Haus

Neomit D.'s story

Ich sagte, dass ich mich tot stelle. Und sie haben mich nicht mitgenommen.


Der Raketenalarm am Morgen hörte nicht auf. Nach einer halben Stunde werden von überall her im Kibbuz Nachrichten verschickt, dass sich Terroristen im Kibbuz rumtreiben. Mein Sohn Sagi, der noch immer vermisst wird, schrieb, dass sich zwei Terroristen in der Arztpraxis befinden, eine andere Nachricht berichtete über zwei auf einem Motorrad.


Wir begreifen, dass wir uns alle in einem Terrorüberfall befinden. Sagi bat mich, das Haus abzuschließen.Ich sperrte zu und ging in den Sicherheitsraum. Ringsum hörten wir Leute arabisch sprechen. Sogar vom Sicherheitsraum aus hörte ich nur Arabisch.

Sie drangen in mein Haus ein, ich hörte, wie sie alles zerschlugen, wie Türen knallten und Fensterscheiben zu Bruch gingen. Ich stieg in den Bettkasten unterm Bett. Und da schreibt mir meine Schwiegertochter, dass Terroristen bei ihnen im Haus sind. Ich schrieb ihr, dass auch bei mir welche sind.


Ich bekam Splitter in den Rücken, den Oberschenkel und den Kopf. Ich blutete.

Von den anderen verstanden wir, dass sie beginnen, die Häuser anzuzünden, und wir sollten nasse Tücher hinlegen. Als sie hinausgingen, verließ ich schnell den Raum und holte eine Wasserflasche. Ich kehrte in den Schutzraum zurück. Ich schloss mich unter dem Bett ein. Der Rauch begann einzudringen, immer mehr. Ich öffnete das Fenster des Sicherheitsraums, aber die ganze Pergola darüber brannte. Ich schloss das Fenster. Doch der ganze Raum war voller Rauch.


Ich flüchtete hinaus und sah, wie einer meiner Nachbarn auf zwei Terroristen schoss. Ich dachte, das sei eine Chance, zu fliehen. Doch ich irrte mich. Sie fingen mich ab. Auch meine Nachbarin war bei ihnen. Sie nahmen mich barfuß, hielten mich stark fest, damit ich nicht weglaufe. Ich verstehe kein Wort Arabisch, doch ich verstand, dass sie sagten, ich solle nicht abhauen. Sie führten mich zu Fuß, barfuß, in Richtung Felder. Sie nahmen mich zum hinteren Tor, Richtung Gaza.


Unterwegs sah ich völlig abgebrannte Häuser. Ich begriff, dass man aus solchen Häusern nicht lebend rauskommt. Ich hatte mein Haus verlassen, um mich zu retten. Wir gingen 150 Meter auf der Straße zwischen den Feldern Richtung Gaza. Und ich sah Terroristen, die dort mit Beute unterwegs waren, volle Koffer, Fernseher, Elektromobile. Sie haben alles geplündert. Ich war mit einer Nachbarin zusammen, sie sagte, dass sie ihren Sohn umgebracht und ihren Mann mitgenommen hatten. Ich sagte ihr, dass wir ja zusammen sind. Mal sehen, wie es weitergeht.


burnt house

Nach 150 Metern hält so eine Art Tuk Tuk mit Ladefläche neben uns, darauf fünf Menschen. Alle aus dem Kibbuz. Da war eine gute Freundin von mir und drei kleine, weinende Mädchen, zwei davon erst drei Jahre alt, verstehen nicht, was ihnen geschieht. Sie fuhren mit uns weiter Richtung Gaza, über uns ein Armeehubschrauber. Irgendwann schoss der Hubschrauber auf alle Terroristen, die vorne auf dem Tuk Tuk saßen. Auf den Fahrer und die anderen. Er hat einfach auf alle geschossen. Da war viel Geschrei auf dem Tuk Tuk. Alle Terroristen waren tot.


Wir blieben am Leben, außer einer Freundin. Ihre Tochter, die zu Besuch war, war dabei. Sie legte sich auf ihre Mutter, die in ihren Armen gestorben war und konnte nicht loslassen. Ich nahm eines der Mädchen. Eine andere Freundin nahm noch ein Mädchen und wir rannten in die Felder. Mit uns war noch ein Elternpaar mit dreijährigen Zwillingen. Nur eines der Mädchen war auf dem Fahrzeug. Sie liefen mit uns mit. Wir riefen der Tochter, deren Mutter umgekommen war, zu, sie solle mit uns fliehen, denn ihre Mutter sei tot. Sie weinte, Mama ist in meinen Armen gestorben und ich habe nicht auf die Mädchen aufgepasst. Wir waren 50 Meter im Feld.


Sie nahmen die drei Mädchen, die Eltern der Zwillinge, jeden, der noch am Leben war. Sie nahmen alle nach Gaza.

Ich bekam Splitter in den Rücken, den Oberschenkel und den Kopf. Ich blutete. Ich legte mich auf den Boden, und da kam ein Traktor. Mein Traktor! Mit dem ich gearbeitet habe. Darauf waren Terroristen. Sie sahen uns und kamen uns holen. Ich sagte mir, jetzt oder nie. Ich sagte, dass ich mich tot stelle. Und sie haben mich nicht mitgenommen. Sie haben mich nicht beachtet. Sie nahmen die drei Mädchen, die Eltern der Zwillinge, jeden, der noch am Leben war. Sie nahmen alle nach Gaza.


Nachdem ich mich tot gestellt habe, kam noch eine Gruppe von Terroristen vorbei, mit Beute, die sie geplündert hatten. Der Armeehubschrauber war über mir. Ich gab ihm ein Zeichen, dass ich am Leben bin. Ich versuchte, voranzukommen. Jedes Mal, wenn Terroristen vorbeikamen, habe ich mich tot gestellt, denn ich war voller Blut.

Um 12 Uhr mittags war es heiß und ich trank aus den Bewässerungsanlagen, die rannen. Ich ging weiter Richtung Tamarisken-Allee. Ich kenne alle Wege auf den Feldern. Ich hob den Kopf und sah drei Kibbutzim in Flammen aufgehen, Magen, Nir Oz und Nirim. Alle drei brannten.


Obwohl ich nicht sicher war, ob ich irgendwo hin zurückkehren kann, sagte ich mir, dass ich zu meinen Kindern gelangen muss, um zu sehen, was mit ihnen los ist. Ich habe zwei Kinder und vier Enkel. Das hat mich durchhalten lassen.

Ich bin zwei Stunden durch die Felder gegangen. Ich schaffte es, in den Kibbuz zu kommen. Ich suchte einen Ort, der nicht brannte. Ich spürte meine Beine nicht mehr. Unterwegs habe ich gewaltige Zerstörung und Verwüstung gesehen. Das Pogrom war nicht zu beschreiben.


Alles verbrannt, zerschlagen, es gab keine Häuser mehr. Die Holzhäuser waren komplett abgebrannt und nur der Sicherheitsraum stand noch. Es war ein schrecklicher Anblick. Ich kam zum Haus meiner Tochter. Ihr Haus war nicht abgebrannt. Ich klopfte, doch niemand öffnete. Ich rief ‘Ofir, hier ist Mama’, doch sie machten nicht auf, denn sie dachten, es wären Terroristen. Am Ende öffneten sie und ich fiel auf die Matratze. Überall blutete ich. Und seither warte ich darauf, von meinem Sohn zu hören, der noch immer vermisst wird. Ich sagte ihnen, alle zu informieren, dass ich am Leben bin. Seither sorge ich mich nur um Sagi, der noch immer vermisst wird.


Danach kamen Leute und verarzteten mich und brachten mich ins Soroka-Krankenhaus. Es

dauerte Stunden. Als ich um halb zwei zum Haus meiner Tochter zurückkam, war die Armee überhaupt nicht im Kibbuz. Und alles hat um halb sieben morgens begonnen! Um halb zwei waren da überhaupt keine Soldaten. Beim Gehen hatte ich Angst, dass Terroristen mir in den Rücken schießen. Ich war entschlossen, meine Kinder zu finden. Das war mein Überlebenskampf, zu den Enkeln und Kindern zu kommen. Der Kibbuz wurde total zerstört. Es gibt nichts, wohin man zurückkehren kann, und nichts, wo man wieder beginnen kann. Sie haben uns einfach ausgelöscht. Dauernd denke ich daran, wie es dazu kommen konnte. Wie? Mein Herz ist bei denen, die auf dem Traktor blieben. Doch ich musste mich selbst retten und zu meinen Kindern gelangen. Wir bauten Orte am Grenzzaun, um den Staat zu schützen, doch uns hat man nicht beschützt.


Neomit D., 63

Source: JTA, Ynet





bottom of page