top of page

Survivor Storys

Weiter

Hier sind Terroristen, die haben auf sie geschossen, haut schon ab!!!

Yam S.'s story

Die Schüsse hören nicht auf, jetzt hilft nur noch beten

Am 7.10, an einem Freitagabend, machten wir uns auf den Weg zu einer Party in der Natur. Vorfreude, Vorbereitungen, ich konnte es kaum erwarten, dort hinzukommen. Wir stellen ein Zelt auf, breiten eine Decke aus, sprechen über das Leben, trinken Bier, lachen.


Wir gehen zur Tanzfläche, die gerade eröffnet wird, und ich fühle einen Adrenalinschub wie schon lange nicht mehr. Es waren die besten 5 Stunden meines Lebens.


Eine schmale Linie zwischen Himmel und Hölle.


Wir trennen uns, ich bin mit einem Freund da, Almog ist nur einige Meter von uns entfernt am Massagestand. Plötzlich seltsame Geräusche und Feuerwerk am Himmel. Niemand versteht es, einige ignorieren es und tanzen weiter, auch die Musik spielt weiter.


Auf einmal wird alles klar, die Musik bricht ab, das Publikum wird gebeten, das Gelände zu verlassen, und Millionen von Menschen rennen zum Ausgang. Ich schreie mir die Seele aus dem Leib, um Almog zu finden. Menschen rennen an mir vorbei, und ich laufe in die entgegengesetzte Richtung zurück zum Festival, um wieder zusammen zu kommen.


Nach 10 höllischen Minuten finden wir uns endlich. Wir wussten, dass jetzt alles gut wird und nichts mehr schief gehen kann. Wir waren alle zusammen. Gestresste Menschen rennen zu den Autos, steigen ein und fahren los. Die Eltern rufen an und wissen nicht, dass wir dort sind, also sage ich, wir seien in einem Bunker, geschützt in einem geschlossenen Raum, doch sie merken schnell, dass wir mittendrin stecken.


Ich hänge auf, wir lachen, sagen, lass uns nach Hause fahren, Schokolade essen, um uns zu beruhigen nach dem Vorfall.


Auf einmal schreien die Menschen, wir sollen aussteigen, alle erschrecken, lassen alles im Auto liegen, Handy, Schlüssel, Schuhe, alles, rennen los und verstecken uns in der Nähe. Etwa 10 Minuten später beginnen einige, sich an die Polizei zu wenden.

Plötzlich Salven von Schüssen, wie man sie nur in Filmen hört. "Sie schießen auf uns, lauft!", ruft jemand. Die angeblichen Polizisten sind verkleidete Terroristen. Wir sehen, wie Menschen, einer nach dem anderen, zu Boden fallen. Währenddessen laufen wir weiter, weil wir keine andere Wahl haben, sie schießen ununterbrochen auf uns, wir sind auf einem dornigen Feld, nach fünf Minuten verliere ich meine Schuhe, ich renne barfuß weiter, mit aller Kraft. Meine Füße sind durchlöchert, jeder Schritt ist die Hölle. Andere halfen mir, weiterzulaufen, trugen mich, sagten mir, nicht stehen zu bleiben, nicht aufzuhören, nicht aufzugeben.


Gedanken im Kopf, mein Leben ist zu Ende, ich kann keinen weiteren Schritt tun. Ich sagte zu den anderen, sie sollen weiterlaufen und nicht auf mich warten, alles wird gut, ich gebe auf.


Zum Glück war ich in dieser Situation mit den besten Menschen, die man sich nur vorstellen kann. Sie ließen mich nicht aufgeben, hielten die ganze Zeit meine Hand.


Nach weiteren 10 Minuten Dauerlauf, auf und ab, barfuß, durch die Dornen, spürte ich das Ende nahen, sie sind hinter uns und schießen in unsere Richtung, ich kann nicht mehr weiter, höre Schreie, falle hin und stehe wieder auf, falle hin und stehe wieder auf.


Ich nahm Almogs Handy und begann, ein Abschiedsvideo für meine Familie zu drehen, ich konnte nicht glauben, dass die Situation anders ausgehen würde. Weitere 5 Minuten Laufen, das war’s, alle verschwanden aus meinem Blickfeld, rannten weiter, und wir blieben zurück.

Wir beschlossen, uns zu verstecken und hofften, dass sie uns nicht finden würden. Wir legten uns auf einem Feld auf den Boden, hinter uns Büsche, vor uns eine offene Fläche.


Ungeschützt, ohne Möglichkeit, sich zu bewegen oder besser zu verstecken, und sie sind noch immer hinter uns. Die Schüsse hören nicht auf, jetzt hilft nur noch beten.

Ruhig und einfallsreich schickte Almog, die ein Handy hatte, unseren Standort an die Eltern, und sie schickten ihn an alle möglichen Stellen weiter, die helfen könnten. “Wir kümmern uns darum, man ist auf dem Weg zu euch.”


Wir schöpften Hoffnung, wir sagten uns, in 10 Minuten haben wir alles hinter uns, sie holen uns ab. Eine halbe Stunde vergeht, eine Stunde, anderthalb Stunden, zwei Stunden. Eine Ewigkeit. Niemand kommt, niemand schafft es, uns zu orten, wir sind in der Kampfzone, niemand darf rein. Und mit den Minuten, die vergingen, waren die Gedanken an das Ende näher als je zuvor. Ich rufe die Polizei an und warte lange darauf, dass jemand rangeht, dass jemand kommt und uns rettet. Plötzlich antwortet die Polizei, ich bin überglücklich, ich sage ihnen ,bitte, rettet uns, ich flehe euch an - die Verbindung bricht ab.


Wir sind quasi zurück auf Feld eins. Eine weitere Stunde vergeht, wir liegen in der glühenden Sonne, ohne Wasser, ohne Schatten, nur wir und die Tiere, die über uns krabbeln. Wir beten, dass sie uns nicht sehen. Totale Stille.


Wir hörten Geräusche, versuchten zu lauschen, hören Araber, die Terroristen sind hinter uns. Das Herz rutscht in die Hose, und alles, was uns versteckt, sind einige Zweige. Wir halten uns an den Händen, so fest wir können, und jede betet aus tiefstem Herzen. Es vergehen einige Minuten, und der Terrorist geht rechts von uns auf dem Weg an uns vorbei.


Die Tränen hören nicht auf zu fließen, der Körper versteht nicht, und wir durften keinen Ton von uns geben. Ich begann, Gott für alles zu danken, was er mir im Leben gegeben hat, die Familie ,die Freunde, die Erlebnisse, alles. Das war’s, es ist zu Ende, er muss nur den Kopf leicht nach rechts drehen, und danach lägen da drei Leichen. Der Augenblick wurde zur Ewigkeit, doch er sah uns nicht, wir waren gerettet.


Wir warten noch eine Stunde, und die Raketen gehören bereits zur Landschaft. Die Schüsse hörten sich normal an. Wir warten immer noch, jeder von uns versucht, für den anderen stark zu sein und ihn zu beruhigen, das gelingt uns uns nicht immer, aber der Gedanke, dass wir zusammen sind, ist tröstlich.


"So oder so kommen sie von vorne, und es gibt keine Möglichkeit, zu fliehen oder sich zu verstecken."

In der sechsten Stunde verdrehten wir schon die Augen und hatten Kopfschmerzen und Übelkeit von der Hitze. Die Sonne brannte auf uns, ohne jeglichen Schatten. Wir sehnten uns danach, von hier wegzukommen, aber im Kopf dachte ich, es wird nicht passieren, es gibt keine Möglichkeit, irgendwohin zu gehen.


Nach einiger Zeit hören wir ein Auto von links. Hoffnung mischt sich mit Angst. Entweder sind es Araber, die kommen, um uns zu töten, oder es sind Zivilisten, die kommen, um uns zu retten, eins von beiden. So oder so kommen sie von vorne, und es gibt keine Möglichkeit, zu fliehen oder sich zu verstecken.

Sie schreien etwas Unverständliches, und wir bewegen uns nicht. Wir sind halb tot vor Angst, dass sie uns sehen könnten. Der dritte Schrei ist deutlicher: “ Yam”, “Yam”, “Almog”. Wir drei begannen zu laufen, während hinter uns Schüsse knallen, wir schauen nicht zurück, wir steigen in das Auto.


Wir verstehen nicht, was passiert ist. Wir sammeln einige Menschen auf der Straße ein, die im gleichen Zustand waren wie wir. 16 Personen, einer auf dem anderen, staubig, verschwitzt, verletzt, verängstigt auf offenem Feld, während die Schüsse nicht aufhören. Wir halten auf halber Strecke zwischen Re’im und Patish (Ortschaften) an. Man brachte uns Wasser, Zigaretten. Anrufe an die Eltern, um ihnen zu versichern, dass alles in Ordnung ist. Der Rest ist Geschichte.


Das ist meine Gelegenheit, danke zu sagen. Danke dem Schöpfer der Welt, der uns gesund und unversehrt nach Hause gebracht hat. Danke den Menschen, die auf der Party waren und einander geholfen haben, selbst, als ihr Leben in Gefahr war. Danke den Zivilisten, die uns gerettet haben und furchtlos in die Kampfzone gefahren sind. Danke den wunderbaren Bewohnern von Maslul (Ortschaft), die ihre Türen geöffnet haben und uns jede erdenkliche Hilfe gegeben haben, und mehr. Danke an das wundervolle Paar, das uns liebevoll und von ganzem Herzen bewirtet und dafür gesorgt hat, dass es uns an nichts fehlt.


Danke an Shira, die uns mit dem Auto von Beer Sheva nach Tel Aviv gefahren hat und danach nach Beer Sheva zurückgefahren ist. Ein riesiges Dankeschön an Almog und Ron, dank denen ich hier bin. Wir haben einander nie aufgegeben, und jeder von uns hat der Reihe nach die anderen beruhigt und gestärkt. Ich liebe euch.


Wir durchleben schwierige Tage und haben schreckliche Bilder gesehen, mit eigenen Augen und in den Nachrichten. Menschen, die mit uns getanzt haben, sind nicht mehr da. Menschen, die mit uns geflohen sind und uns geholfen haben, wurden ermordet, werden vermisst, wurden entführt, Schreckliches ist passiert. Ich teile den Schmerz aller Familien, deren Liebste dort sind. Und ich bete zu Gott, dass diejenigen, die noch am Leben sind, sicher nach Hause zu ihren Familien und Liebsten zurückkehren werden. Seid stark, wir sind immer an eurer Seite! Am Yisrael Chai (das Volk Israel lebt) und ist eins!


Yam S.

bottom of page